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Symposium „Regionale Identität“

16. bis 18. April 2008 im Kloster St. Marienthal

 

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Leitfragen:

...und angenommen, es gelingt, eine brauchbare Definition dieses Begriffs zu entwickeln:

 

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Beiträge:

  1. Olaf Martin (AK Kulturregionen/Landschaftsverband Südniedersachsen e. V.):
    „Einführung in das Thema des Symposiums – Relevanz für die Kulturregionen in Deutschland“
    Präsentationsfolien als PDF (460 KB)
  2. Dr. Thomas Küster (LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte):
    „Regionale Identität aus der Perspektive der Landes- und Regionalgeschichte“
    Handzettel und Vortragstext als PDF (750 KB)
  3. Gabriele Dafft M.A. (LVR/Amt für rheinische Landeskunde):
    „Rheinisch denken, rheinisch handeln? Regionale Denkmuster als identitätsstiftendes Potenzial“
    Präsentationsfolien als PDF (790 KB)
  4. Sabine Huppertz M.A. (LVR/Amt für rheinische Landeskunde):
    „Rheinland ist Meinland. Wie sich regionale Identität im Denken junger Leute abbildet“
    Präsentationsfolien als PDF (1,2 MB)
  5. Dr. Peter Fassl (Bezirksheimatpfleger Schwaben):
    „Schwaben - Geschichte und Identität“
    Textzusammenfassung und OHP-Folien...
    - als PDF mit komprimierten Kartenbildern (1,7 MB)
    - als PDF mit Kartenbildern Format A4 (32,0 MB)
  6. Prof. Dr. Kurt Mühler (Univ. Leipzig/Institut für Soziologie):
    „Normative Erwartungen und regionale Identifikation“
    - Präsentationsfolien als PDF (760 KB)
    - Abschlussbericht. Ursachen für die Identifikation von Bürgern mit ihrer Region und Wirkungen auf ihr individuelles Handeln (PDF 165 KB)
    - Fragebogen Welle 1 (2000) (PDF 80 KB)
    - Kurzfragebogen Welle 1 (2000) zum Selbstausfüllen durch die Befragten (PDF 95 KB)
    - Fragebogen Welle 3 (2003) (PDF 540 KB)
  7. Svetlana Acevic (Forum der Kulturen Stuttgart e. V.):
    „Gesellschaftliche Teilhabe als Motor regionaler Identität am Beispiel der Region Stuttgart und des Forums der Kulturen“
    [Vortragstext wird noch nachgereicht]
  8. Dr. Sabine Tzschaschel (Leibniz-Institut für Länderkunde) und
    Dr. Monika Micheel (Univ. Leipzig/Institut für Geographie)
    „Ist Regionale Identität machbar? – Zur Konstruktion von Räumen und Identitäten“
    Präsentationsfolien als PDF (2,2 MB)

 

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Referenten und Teilnehmer:

Referenten:

Prof. Dr. Kurt Mühler

Universität Leipzig/Institut für Soziologie

Dr. Thomas Küster

Landschaftsverband Westfalen-Lippe/Institut für westfälische Regionalgeschichte

Gabriele Dafft

Landschaftsverband Rheinland/Amt für Rheinische Landeskunde

Sabine Huppertz

Landschaftsverband Rheinland/Amt für Rheinische Landeskunde

Dr. Peter Fassl

Bezirk Schwaben/Bezirksheimatpflege

Svetlana Acevic

Forum der Kulturen Stuttgart

Dr. Sabine Tzschaschel

Leibniz-Institut für Länderkunde

Dr. Monika Micheel

Universität Leipzig/Institut für Geographie


Teilnehmer:

Olaf Martin

Landschaftsverband Südniedersachsen

Karin Hanika

Kulturregion Stuttgart

Dr. Michael Brandt

Oldenburgische Landschaft

Joachim Mühle

Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien

Heike Hundertmark

Braunschweigische Landschaft

Ignaz Jung Lundberg

Landschaftsverband Hildesheim

Dr. Eckhard Bolenz

Landschaftsverband Rheinland/Amt für Rheinische Landeskunde

Cornelia Nath

Ostfriesische Landschaft/Platdütskbüro

Dr. Susanne Tauss

Landschaftsverband Osnabrücker Land

Konrad Dörner

KulturRegion Frankfurt RheinMain

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Kurzbericht

Regionale Identität - das Plastikwort
Bericht von einem Symposium an Deutschlands Peripherie

Seit 774 Jahren leben und wirken Zisterzienserinnen im Kloster St. Marienthal bei Görlitz und man konnte den Geist, die Identität dieses gastlichen Ortes fast mit Händen greifen. In beeindruckenden Bauten des böhmischen Barocks traf sich der „Arbeitskreis der Kulturregionen in Deutschland“ mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, um zu prüfen, ob es so etwas überhaupt gibt: die Identität eines Ortes, einer Region. Achtzehn Personen, davon acht als referierende Fachleute, alle saßen auf gleicher Augenhöhe an einem Tisch, für die intensiven Diskussionen nahm man sich ebenso viel Zeit wie für die Vorträge selbst, alle kamen ausführlich zu Wort – ideale Bedingungen, wie man sie sich auch von manch anderer Tagung wünscht.

Um die Antwort vorwegzunehmen: Ja, es gibt Phänomene, die man unter dem schwierigen Begriff „regionale Identität“ zusammenfassen kann, und ja, sie lassen sich beschreiben und erklären. Aber von da an wird es unübersichtlich...

Dass der Begriff „regionale Identität“ keineswegs so beliebig und diffus verstanden werden muss, wie er häufig gebraucht wird, legte der Vortrag von Thomas Küster dar. Er bot einen guten Überblick zum Stand der wissenschaftlichen Diskussion und hob als Historiker hervor, dass der Regionsdiskurs erst seit dem 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zum Nationalismus aufgekommen ist. Auch auf das Konzept der „mental maps“ wurde in den folgenden Diskussionen immer wieder Bezug genommen. Interessante Befunde konnten dann Gabriele Dafft und Sabine Huppertz vom Amt für rheinische Landeskunde vorlegen: Durch die qualitative Auswertung einer Vielzahl von Einzelinterviews in unterschiedlichen Milieus kreisen sie die Besonderheiten der Mentalität im Rheinland ein. Aber ist diese wirklich etwas Besonderes oder wären gleiche Ergebnisse auch in anderen Regionen zu gewinnen? Bisher ließ sich nicht überprüfen, ob etwa das „rheinische Mitmachmodell“ vielleicht doch ein „menschliches Mitmachmodell“ ist. Nach solchen Erkundungen der Alltagskultur demonstrierte Peter Fassl, wie man mit dem klassischen Werkzeug des Historikers Aufklärung betreibt und allzu oberflächliche Schwaben-Bilder in seine Bestandteile zerlegt. Erst durch Kenntnis der Geschichte kennt man auch seine Region, sieht man überhaupt ihre Eigenheiten. Wenn auf dieser tiefen Gründung dann eine Verbundenheit mit der Region entsteht, muss man sich um deren Ausformungen keine Gedanken machen.

Wie aber entsteht, wächst regionale Identität? Wodurch wird sie beeinflusst? Nicht an den Inhalten oder der „Füllung“ ist der Sozialwissenschaftler Kurt Mühler interessiert, sondern an den Wirkmechanismen; nicht an einer statisch gedachten Identität, sondern an den Prozessen der Identifizierung. Hierzu wurde im Rahmen eines Sonderforschungsbereichs an der Universität Leipzig aufwändige empirische Sozialforschung betrieben. Ein verblüffendes Ergebnis unter mehreren: Ob man in der betreffenden Region geboren und aufgewachsen ist, wirkt sich nur sehr schwach auf die Identifizierung mit ihr aus. Auch hat die Lebensqualität in einer Region keinen unmittelbaren Einfluss auf die Identifizierung; entscheidender sind die „normativen Erwartungen“ des Umfeldes, also die Urteile und das Verhalten der für mich wichtigen Personen in meiner Umgebung. Doch wer sind eigentlich die Subjekte dieser Identifzierungsprozesse, wer ist Träger einer regionalen Identität? Svetlana Acevic vom Forum der Kulturen in Stuttgart wies nachdrücklich darauf hin, dass Migranten nicht „die anderen“ sind, um die man sich eben auch kümmern müsse, sondern einfach ein wesentlicher Teil der hier lebenden Bevölkerung. Nicht Sonderprogramme für exotische Kulturbeiträge werden erwartet, sondern schlicht Teilhabe und Teilnahme. Dass die hier diskutierten Identitätskonzepte alte essentialistische Ansätze hinter sich ließen, kam diesem Anspruch sehr entgegen. Denn die früheren Vorstellungen von festgefügten Verbindungen zwischen Raum, Sprache, Brauchtum und Kultur sind unhaltbar – Identitäten werden sozial konstruiert. Das war auch eine der Kernaussagen des Beitrags der Geografinnen Sabine Tzschaschel und Monika Micheel vom Leibniz-Institut für Länderkunde. Besonderes Interesse weckte deren Verweis auf die Bedeutung von Symbolen, die für die Konstruktion von Regionen instrumentalisiert werden, z. B. im Tourismus-Marketing.

In allen Diskussionen war die beherrschende Frage: Was helfen mir in der Praxis diese Einsichten? Kann, soll ich die Rede von der regionalen Identität für meine Arbeit nutzbar machen? Aus den Kulturregionen wurde von einer großen Bandbreite berichtet: Von ausgesprochen „starkem“ Regionalbewusstsein, das man eher einhegen und kanalisieren muss, bis zu Kunstregionen ohne jedes Selbstbild war die ganze Palette vertreten. Klar war, dass sich regionale Identität nicht ohne weiteres und in kurzen Zeiträumen beeinflussen oder gar „machen“ lässt – entgegen dem Ansinnen so mancher Wirtschaftsförderer. Ein Teilnehmer drückte es so aus: „Ich werde künftig nur noch mit ganz spitzen Fingern an diesen Begriff herangehen – und mit ganz spitzen Fingern Anderen das Reden von der regionalen Identität zerpflücken!“ Dieser praktische Umgang mit dem Identitätsbegriff in Kulturarbeit und -förderung soll Thema eines weiteren Symposiums im Jahr 2009 sein.

(Olaf Martin)

 

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Stand/letzte Aktualisierung: 24.04.2008